Autoscham und was Radwege bewirken

Vor einigen Wochen bin ich mit meiner Familie umgezogen. Wir besitzen jetzt ein Reihenmittelhaus und einen kleinen Garten in dem schönen Städtchen Lampertheim und ich erlebe hier etwas für mich komplett Neues.

Lampertheim hat einen guten Radweg, der quer durch die Stadt geht. Ich kann am Ende meiner Straße auf diesen Radweg abbiegen, komme damit in die Innenstadt und einmal quer durch Lampertheim zu den Einkaufsmärkten. 🤯

Der Radweg ist nicht perfekt. Man kann nicht auf ihm überholen, er trennt Parkplätze und Straße voneinander und auf den meisten Teilen ist er gepflastert und nicht aus Teer, aber es ist ein Anfang. Dieser Radweg bringt mich zum Fahrradfahren und das obwohl meine Familie zwei Autos besitzt.

Ich fahre auf kurzen Strecken sogar ganz gerne Fahrrad, aber ich habe keine Lust mich mit Autofahrern zu streiten und um meinen Platz auf der Straße zu kämpfen und wenn ich mit meinem Kleinen unterwegs bin, dann habe ich keine Lust mich über viel zu kleine Gehwege zu quetschen und Opas zu erklären, dass ich als Begleitung auf dem Gehweg fahren darf. Dazu kommt, dass ich mittlerweile an einer ganz massiven Autoscham leide. Ich habe schlicht ein schlechtes Gewissen mit dem Auto unterwegs zu sein und freue mich dann entsprechend immer, wenn ich ein wenig CO2 einsparen konnte.

In meiner Studienzeit in Darmstadt hatte ich nicht die Wahl, ich besaß damals kein Auto und habe deshalb die Öffis und das Fahrrad benutzt, aber in allen zukünftigen Wohnungen besaß ich ein Auto und habe es auch benutzt. In Bensheim und Heppenheim gab es schlicht und ergreifend eine beschissene Infrastruktur für Fahrradfahrer. In Heppenheim gab es an der Hauptstraße sogar einen Radweg, der dann auf der gefährlichsten Kreuzung aber einfach auf die Straße geführt wurde. Zusätzlich waren auf dem Gehweg dann Poller und ein Café, sodass weder für mich noch meinem Sohn ein Fahren auf dem Gehweg ermöglicht wurde. Erst weit nach der Kreuzung hat dann magisch ein Radweg wieder angefangen. Richtung Einkaufszentrum musste man durch eine Unterführung, die keinen Radweg hat und man stattdessen auf einen Fußgängerweg ausweichen muss. In Bensheim gab es zwar keine so gefährlichen Kreuzungen auf meinen Wegen, aber auch wenig sinnvolle Radwege.

Die gleiche Erfahrung habe ich schon in den letzten zwei Urlauben in den Niederlanden gemacht, wo ich erleben konnte wie cool es ist, wenn Autofahrer und Fahrradfahrer gleichberechtigt sind und hier in meinem neuen Heimatort sehe ich das jetzt jeden Tag. Hier fahre ich jetzt wieder Rad und zwar gerne. Ich habe die uncoolen Fahrradtaschen wieder ausgepackt und war schon einige der Einkäufe mit dem Rucksack und den Fahrradtaschen und nicht dem Auto erledigen.

So kann eine Verkehrswende gelingen. Mit Radwegen fühlt man sich sicherer und wertgeschätzter.

unsplash-logoAndrew Gook